Die Preisträgerinnen 2013

Die Preisträgerinnen des ersten Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreises 2013 sind Tamara Bach aus Deutschland und Marjolaine Jarry aus Frankreich.

Am 24. Mai 2013 wurde der Deutsch-Französische Jugendliteraturpreis zum ersten Mal verliehen. Der Preis in der Kategorie „Erzählendes Jugendbuch“ wurde von der Ministerpräsidentin des Saarlandes und Bevollmächtigen der Bundesrepublik für kulturelle Angelegenheiten und vom französischen Generalkonsul als Vertreter Frankreichs auf der 13. Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse vergeben und die Preisträgerinnen der Öffentlichkeit vorgestellt.

 

 

Programm der Preisverleihung  

 


Tamara Bach

Was vom Sommer übrig ist

Carlsen Verlag | ab 14 Jahre

 

Tamara Bach

T Bach WasVomSommer

Laudatio | Dr. Stefan Hauck

Filme aus Buchstaben

»Ja, ich dachte, ihr hättet vielleicht irgendwas geplant für heute ...?, sagt der da vorn. Immer hängen an seinen Sätzen hintendran drei Punkte, als käme da noch was, fill in the gaps. No, Sir, niemand hat sich heute was ausgedacht, keiner spielt ein Lied, keiner bringt eine Geschichte mit.«, heißt es im 1. Kapitel von Tamara Bachs Roman »Was vom Sommer übrig ist«.

Doch, ich bringe eine Geschichte mit: Die der genauen Beobachterin Tamara Bach, die im Supermarkt den Leuten in die Einkaufswagen guckt und überlegt, wie sie mit den Waren wohl ihren Abend gestalten werden. Die präzisen Beobachtungen finden sich in Bachs Texten wieder: analytisch, die Augenblicke sezierend, gern melancholisch, nie kühl – dafür ploppen beim Lesen zu viele Bilder auf. Bilder zu schaffen ist ihre Stärke, ihr Roman »Busfahrt mit Kuhn« ist ein Roadmovie, das man sofort verfilmen könnte. Ihre Romane sind eigentlich Filme aus Buchstaben, und Tamara Bach liebt es, ins Kino zu gehen, am liebsten in die 16 Uhr-Vorstellungen. Denn was sie nicht leiden kann, sind die Kommentatoren im Kinosessel: »Es regt mich tierisch auf«, sagt sie, »wenn in der Reihe vor mir welche quatschen: ›Kiek ma! Det is doch der ... – na, hat der nich in dem Film ...‹«

Tamara Bach ist auch eine genaue Zuhörerin. Ob Straßenbahn, Café, Schule: Bach hört mit. Saugt auf. Kann mühelos beim Sprechen in unterschiedliche Dialekte wechseln. Ihre Dialoge werden von der Kritik als »höchst authentisch« gerühmt, man hat als Leser den Eindruck, man stünde unmittelbar daneben. Ihr Geheimnis: »Dialoge dürfen nicht verkopft klingen.« Dem Leben abgelauscht.

1976 in Limburg an der Lahn geboren, wuchs sie zunächst in Bad Camberg und dann in Ludwigshöhe bei Oppenheim auf: Ein 500-Seelen-Dorf, jeder kennt jeden, der Schauplatz ihres Debuts »Marsmädchen« über die verwirrenden eigenen Ge-fühle und die Feststellung, anders als die anderen zu sein, 2004 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Die Büchereien hat sie als Kind abgegrast, sie hing an ihrem sieben Jahre älteren Bruder so wie die kleine Ziska an Mono in ihrem Roman »Jetzt ist hier«, der in Berlin spielt. Mit 14 dann der große Aufbruch, die brave Tamara tauschte ihr rosa-farbenes Fahrrad gegen eine Honda aus, färbte sich die Haare, hörte Grunge und begann mit Spaß zu schreiben.

Ihr Deutschlehrer war kein Geringerer als Peter Grosz, der schon beim Ingeborg-Bachmann-Literaturwettbewerb in Klagenfurt gelesen hatte. Der lobte zwar, sagte aber auch unmissverständlich, wenn Texte nicht so gelungen waren und warum – eine gute Schule. Mit 17 nahm sie am Wettbewerb »Schüler schreiben« sowie am Treffen junger Autoren in Berlin teil, und verliebte sich in diese Stadt. Dabei ist es geblieben, sie wohnt inzwischen dort.

Mit 20 fing sie an in Mainz zu studieren, Kunstgeschichte, Anglistik, Romanistik, Philosophie, wechselte nach drei Semestern nach Berlin, studierte auf Lehramt für Deutsch und Englisch, und Sie können sicher sein, wer da im Pausenhof die Ohren gespitzt hat: Tamara Bach. Auch wenn ihr Literaturvermittlung großen Spaß macht und sie fürs Goethe-Institut in Usbekistan und Tadschikistan und sonstwo war, hat sie beim Referendariat zum Schluss das Leben als freie Schriftstellerin der sicheren Studienrätinrente vorgezogen. Ein Glück für uns, denn sonst hätte sie vermutlich kaum Zeit zum Schreiben und könnte uns nicht so wunderbare Geschichten wie »Was vom Sommer übrig ist« erzählen, in dem sie Spuren auslegt, Fährten, die sich im Lauf des Romans Stück für Stück zusammenfügen.

Sensibel schildert sie die Annäherung zwischen der 17-jährigen Louise, die zwischen Ferienjob und Führerscheinprüfung pendelt, und der 13-jährigen Jana, deren Eltern vor Sorge um Janas im Koma liegenden Bruder ihre Tochter gar nicht mehr wahrnehmen. Großartig etwa die Szene, wie en passant herauskommt, dass sie vergessen haben, dass Jana Geburtstag hatte, älter geworden ist. Solch starke Szenen reichen Bach, um zu erzählen, minimalistisch und haften bleibend. Der Leser nähert sich den beiden Alleingelassenen, die zueinanderfinden, ein bisschen kleine und große Schwester, die lang-sam einander ernst nehmen. Das alles im Kontrast des heißen Sommers, einer freundlichen Jahreszeit, die hier die Folie für die Krisenzeiten der Jugendlichen ist.

Abseits des epigonalen Creative-Writing-Chors hat Bach einen unverwechselbaren, schnoddrig-charmanten Stil, schlagfertig, espritvoll, bei dem einprägsame Sprachfetzen über die Syntax triumphieren. Ihren Figuren – Louise, Jana, Jonas, Klassenkameraden, die Oma mit Hund, Fabian, der Ampelbäcker, der Fahrlehrer usw. – gibt Bach dabei eine jeweils eigene Sprache – »Ich suche mir das nicht aus, das machen die Figuren mit mir«, sagt sie. »So sind die.« Und genau das nimmt man ihren Figuren ab: Sie sind glaubwürdig.

Der Leser aber kann sich bei »Was vom Sommer übrig ist« nicht als Couch-Potatoe zurücklehnen, nein, er muss selbst arbeiten, muss die in den Text eingewobenen Assoziationen und Bilder, die sich im Kopf festsetzen, weiterdenken. Muss unvollendete Sätze vollenden und sich das, was zwischen den geschilderten Szenen passiert, vorstellen, erfinden – weswegen der Roman bei jedem Leser anders klingen wird.

Dass Tamara Bach für diesen Roman nun den ersten deutsch-französischen Jugendliteraturpreis bekommt, passt wunderbar zu dem, was sie Jugendlichen rät: »Geh’ ins Ausland«, sagt sie, »lern’ eine Sprache, und zwar am besten so gut, dass Du auch dreckige Witze verstehen kannst.« Da freue ich mich schon auf ihre erste Lesung in Frankreich.

Die Jury 2013

Nathalie BEAU | Paris

Evelyne DUMONT-UHLRICH | Paris

Géraldine ELSCHNER | Heidelberg

Bernard FRIOT | Besançon

Germaine GOETZINGER | Luxemburg

Alfred GULDEN | Saarlouis, München

Dr. Stefan HAUCK | Frankfurt

Mathilde LÉVÊQUE | Paris

Tobias SCHEFFEL | Freiburg

Dr. Sikander SINGH | Saarbrücken

 

Mehr Informationen zur Jury  

 

Marjolaine Jarry

Pieds nus dans la nuit

Thierry Magnier | ab 13 Jahre

 

Marjolaine Jarry

M Jarry PiedsNusDansLaNuit

Laudatio | Nathalie Beau

Se souvenir, oublier, s’arracher

Quel meilleur moyen pour connaître et comprendre l’autre que la culture et particulièrement le livre, reflet de nos sociétés, de nos pratiques littéraires. La création de ce prix Franco-Allemand pour la littérature de jeunesse est une avancée dans cette nécessaire circulation des œuvres.

Alors, demandons-nous ce que va dire de la société française à ses lecteurs allemands, le livre primé : Pieds nus dans la nuit de Marjolaine Jarry ?

Ce roman est assez court, ce qui est le cas de beaucoup des romans miroirs français. Écrit à la première personne, il donne le point de vue de Louise, une lycéenne française. Il est composé de trente-neuf brefs chapitres qui correspondent à un kaléidoscope d’impressions et d’émotions traduit par un éclatement de la temporalité du récit structuré en trois parties : se souvenir, oublier, s’arracher, trois verbes qui marquent les étapes de ce roman d’apprentissage. Mais avant tout avant, quelle histoire nous raconte-t-il ?

Louise est prête à mordre la vie à pleines dents et c’est avec toute la fougue de l’adolescence qu’elle vit son amitié pour son unique amie, Claire, et bientôt, son amour pour toujours, avec Tom. Baptiste, l’amoureux de Claire et l’ami de Tom complète ce quatuor parfait. Quand ce bel édifice de bonheur et de bien-être s’effrite puis s’effondre, elle est anéantie. Claire est anorexique et doit être hospitalisée. Baptiste fuit, Tom change et la quitte. Louise, l’amie fidèle résiste comme elle peut et sa reconstruction se fera à travers l’élaboration du projet d’art plastique qu’elle doit soumettre à un jury pour son bac. Elle décide de concevoir un lieu du souvenir pour tous les habitants de la petite ville, lieu de passage entre le passé et le présent, lieu de recueillement. Louise, elle, y apporte les souvenirs de sa chère grand-mère et ceux des moments merveilleux qu’elle a vécu. Elle est alors prête à se remettre en chemin.

Se souvenir, c’est encore le temps de l’enfance, d’une certaine insouciance faite de grands moments de bonheur. Oublier, c’est tenter de ne pas ressasser ce passé joyeux et plein de promesses qui s’est effondré avec l’enfermement de Claire, l’amie chérie, dans la maladie, et la fin d’un amour qui devait durer toujours. S’arracher, c’est s’envoler vers une vie d’adulte où les souvenirs apaisés seront des socles.

Le récit est fortement ancré dans la vie du lycée et il dit bien la réalité de la scolarité en France avec sa routine et la certaine distance dans les rapports entre élèves et enseignants, qui n’empêchent pas que ce lieu soit vécu comme monde en soi, clos mais protecteur. Dans ce monde des lycéens français, il y a aussi le poids du bac et toutes les tensions que cela engendre.

À cette époque de la vie, où ces adolescents tentent de s’assumer, leur rapport distant avec les adultes est décrit avec réalisme. Les parents de Louise sont divorcés et elle vit avec sa mère, mais c’est son attachement à sa grand-mère, morte depuis deux ans, qui semble la soutenir.

La vie de la petite ville en arrière-fond est aussi typique, avec sa place et son bistrot, lieu de retrouvailles des lycéens. Les émotions fortes émanant de ce récit très maîtrisé, évitant tout pathos, et de cette écriture simplement belle, peuvent toucher par leur sincérité et leur justesse des lecteurs de tout âge et de tout lieu.

Le jury est particulièrement heureux que le prix soit attribué à Marjolaine Jarry, une nouvelle venue dans le paysage littéraire français. Marjolaine est journaliste, spécialisée en cinéma et en séries télé. Mais c’est pour la jeunesse qu’elle désire écrire. Voici ce qu’elle en dit : « J’ai voulu écrire pour ceux et celles qui ne sont pas encore tout à fait adultes, car les livres ont été, pour moi, à cet âge-là, des échos de révolte, des promesses d’amour, des appâts qui m’ont donné le désir d’aller voir plus loin. À cet âge-là, on est déjà soi-même, mais pour la première fois… À cet âge-là, on a déjà construit son monde à soi, d’autant plus solidement qu’on veut échapper à celui des adultes. »

Permettez-moi de souhaiter, au nom des jurys qui l’ont distingué, une longue vie à Pieds nus dans la nuit et une très brillante carrière d’auteur à Marjolaine Jarry.

Die Jury 2013

Nathalie BEAU | Paris

Evelyne DUMONT-UHLRICH | Paris

Géraldine ELSCHNER | Heidelberg

Bernard FRIOT | Besançon

Germaine GOETZINGER | Luxemburg

Alfred GULDEN | Saarlouis, München

Dr. Stefan HAUCK | Frankfurt

Mathilde LÉVÊQUE | Paris

Tobias SCHEFFEL | Freiburg

Dr. Sikander SINGH | Saarbrücken

 

Mehr Informationen zur Jury  

Wir benutzen Cookies

Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für die Funktion der Homepage. Wenn Sie Cookies ablehnen, können Sie keine externen Medien wie z. B. Filme ansehen.